Biologische Invasion - Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa

Ingo Kowarik
Ulmer, Stuttgart, 2. erweiterte Auflage 2010; Hardcover, 492 Seiten, 91 sw-Zeichnungen, 77 Tabellen, € 69,90.

Die Einwanderung neuer Arten aus aller Welt erregt immer wieder aufs heftigste die Gemüter und lässt Experten und Laien streiten. Die Berichterstattung und manche Meinung berufener und nicht berufener Zeitzeugen im Zusammenhang mit Tier- und Pflanzenarten aus fremden Ländern ist drastisch und muss dringend hinterfragt werden. Wieso lösen Waschbären oder Muscheln, die amerikanische Traubenkirsche oder Rhododendron von Zeit zu Zeit faschistisch klingende Rhetorik aus?

Selbst Freunde exotischer Gärten hätten manch fremdes Unkraut lieber nie gesehen. Naturfreunde sind besorgt, wenn der Staudenknöterich Talauen und Flussufer überwuchert und jedem Tierfreund sind Tiere unheimlich, die andere Tierarten verdrängen.

Die Problematik ist komplex. Es handelt sich bei der biologischen Invasion im Tier- und Pflanzenreich eigentlich um Migration. Die zunehmende Ausprägung oder auch Bedrohung hat mit der weltweit steigenden Mobilität und der Globalisierung zu tun, allesamt Themen bei denen sich ohnehin die Geister scheiden, die Emotionen hochkochen und die gesellschaftliche Sichtweise zu Extremen neigt.

 

Zur Versachlichung der Diskussion ist ein fundiertes Fachbuch auf naturwissenschaftlicher Grundlage von höchstem Interesse. Solch ein Buch ist das vorliegende Werk von Ingo Kowarik. Neben dringend erforderlichen Begriffserklärungen und der globalen Perspektive biologischer Invasion liegt ein Schwerpunkt des Buches auf den Formen und Wegen der versehentlichen Einschleppung beziehungsweise absichtlichen Ansiedlung. Hier wird auch die historische Perspektive mit einbezogen. Es folgen ausführliche Kapitel zu Neophyten in Mitteleuropa und ihrem Einfluss auf die Tierwelt. Abhandlungen über Neomyceten (neue Pilze) und Pathogene sowie umfassende Kapitel zu Neozoen in mitteleuropäischen Lebensräumen folgen. Interessant wichtig und lesenswert für alle die mitreden, sind die wissenschaftlichen Bewertungen der Auswirkungen und Konfliktpotentiale. Die aufgezeigten Handlungsansätze von der Vorsorge über das Management bis zur Akzeptanz der Einwanderung sind praxistauglich und relevant.

So wird bei sachlicher Betrachtung deutlich, dass nicht etwa Neophyten und Neozoen im Allgemeinen gut oder schlecht sind sondern sehr unterschiedliche, oft auch zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich bewertete Wirkungen haben. Deutlich wird auch, dass es nicht die Invasoren allein sind, die unsere Natur verändern und dass es häufig nicht der Schaden der Natur sondern wirtschaftliche Interessen sind, die durch Neophyten und Neozoen beeinträchtigt werden.

Das umfassende, fundierte Buch bleibt nicht bei den dringend notwendigen relativierenden Untersuchungen und Ergebnissen stehen. Es zeigt anhand konkreter Fälle intelligente, erprobte und gezielte Maßnahmen zur Kontrolle oder Rückholung besonders invasiver Arten. Es wird damit allen schwierigen Fragen des komplexen Themas gerecht und ist allen, die mit entscheiden wollen eindringlich zur Lektüre empfohlen. Daneben ist „Biologische Invasion“ ein aktuelles, detailliertes Nachschlagewerk mit übersichtlichem Inhaltsverzeichnis, hilfreichem Register, einem umfassenden Literaturverzeichnis und vor allem mit zahlreichen übersichtlichen Tabellen zur schnellen Information.

Stefanie Goldscheider



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