Die Grüne Revolution - Kuba, ein nationales Bio-Projekt
Der Zusammenbruch der Sowjetunion
und der darauf folgende, beziehungsweise sichtbar werdende Zusammenbruch
der Ökonomien der Staaten des Warschauer Paktes, zeigte deutlich
die bessere Infrastruktur, den höheren Lebensstandard und die größeren
Konsummöglichkeiten der Menschen in den westlichen Industriestaaten.
In Kuba wurde die Ernährungssituation ab 1989 besonders schwierig,
da man durch den totalen Handelsboykott der USA auch keine Lebensmittel
mehr importieren konnte. Vergleicht man Kuba allerdings mit anderen ehemaligen
Kolonialstaaten oder anderen Ländern in Lateinamerika, so ergibt
sich trotzdem eine positive Bilanz. In keinem anderen lateinamerikanischen
Land sind Gesundheitswesen, Bildungsystem und Kulturförderung so
erfolgreich wie in Kuba.
Sozialistische Revolution und amerikanische Wirtschaftsblockade
Durch den Zerfall der Sowjetunion, 30 Jahre nach der kubanischen sozialistischen Revolution, wurde Kuba zu neuen Wegen gezwungen. Kuba, welches über 80 % seines Außenhandels mit Staaten des ehemaligen Ostblocks betrieben hatte und durch das immer noch allumfassende amerikanische Handelsembargo bis heute von Importen aus der westlichen Welt praktisch ausgeschlossen ist, sah sich 1989 mit einem jähen Schnitt in der eigenen Agrarproduktion und seinem Außenhandel konfrontiert.
Die von Castro erklärte "Ausnahmeperiode in Friedenszeiten"
beinhaltete drastische Einbrüche in der Versorgung mit Lebensmitteln,
vor allem mit Getreide, Bohnen, Fetten und Milchprodukten. Diese Nahrungsmittel
waren allesamt importiert worden, bezahlt aus den hohen Erlösen des
wie in Kolonialzeiten umfangreichen Zuckerexports. Doch der Einschnitt
nach der Wende ging noch viel tiefer. Auch die Produktionsmittel wie Erdöl,
Tierfutter, Düngemittel und Pflanzenschutzmittel konnten nach dem
Wegfall der besonderen Handelsbeziehungen zur Sowjetunion nicht mehr importiert
werden und standen de facto nicht mehr zur Verfügung.
Die grüne Revolution
Die zu Zeiten der Sowjetunion üblichen Produktionsmethoden auf höchstem
Technisierungsniveau in riesigen Monokulturen, mit riesigen Inputs an
Energie, Düngern, Pestiziden und Wasser, wie man sie sowohl aus freien
Marktwirtschaften wie aus sozialistischen Staaten kannte, hatten schon
Anfang der 80er Jahre unter Wissenschaftlern in Kuba Bedenken und Kritik
ausgelöst. Die gefährliche wirtschaftliche Abhängigkeit
und die verheerenden ökologischen Folgen waren bereits zu erkennen.
Alternative Konzepte lagen also zumindest theoretisch bereit. Zum Glück,
denn so konnte das Agrarland innerhalb weniger Jahre die schlimmste Versorgungskrise
überwinden und seine Landwirtschaft umstellen. Kuba wurde zum größten
Bioexperiment der Welt, zu einem Beispiel der engen Zusammenarbeit von
Forschern, Landarbeitern und Verwaltung.
Treibstoff
Die riesigen Traktoren, die den tropischen Böden Verdichtung, Humusabbau und Erosion eingebracht hatten und teures Erdöl verbrauchten, das in den 90er Jahren nicht mehr zur Verfügung stand, wurden stillgelegt und durch bodenschonende Ochsengespanne ersetzt. Überall in Kuba sieht man heute Ochsengespanne bei der Bodenbearbeitung und Zugarbeit. Bei gleichzeitigem Fehlen der Tierfutterimporte führte dies dazu, daß Ochsen nicht mehr gemästet und geschlachtet werden können. Trotz großer Rinderherden gibt es also kaum noch Rindfleisch zu kaufen und zu essen.
Bild 2: Pflügen eines Zuckerrohrfeldes mit Ochsengespann © Henk van der Leeden
Düngemittel
Düngemittel mussten durch angepasste Fruchtfolgen mit Stickstoff-fixierenden
Leguminosen oder Anbau in Mischkultur eingespart werden. Zudem werden
in Cuba natürliche Bodenbakterien vermehrt und eingesetzt, die auch
in Zuckerrohr die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Ein intensives Kompost-
und Regenwurm-Humus-System zusammen mit dem Einsatz von Gründüngungspflanzen
hat inzwischen stark geschädigte tropische Böden wieder produktiver
gemacht.
Bild 3: Taro und Bohnen in Reihen-Mischkultur ©
s.goldscheider
Pflanzenschutz
Pestizide konnten dank intensiver, praxisnaher Agrarforschung in vielen
Bereichen durch biologische Maßnahmen ersetzt werden. Man sucht und
vermehrt seitdem gezielt Parasiten von Schadinsekten und setzt sie großflächig
ein. Desgleichen wurden und werden auch Krankheiten von Parasiten und Gegenspieler
verschiedener gefährlicher Pilzkrankheiten und Nematoden identifiziert,
vermehrt und eingesetzt. Viele wirtschaftlich bedeutende Krankheiten der
wichtigsten Produkte wie Zuckerrohr, Reis, Tabak, Süßkartoffel
und Banane lassen sich so kontrollieren. Voraussetzung sind eine genaue
Überwachung und die rechtzeitige, großflächige Ausbringung.
Beides scheint in Kuba zu funktionieren und die entwickelten Technologien
können bereits exportiert werden und in anderen tropischen Ländern
Handarbeit
Insgesamt erforderte die Umstellung einer
hoch technisierten, großflächigen Landwirtschaft zu einer biologischen
und kleiner strukturierten Wirtschaftsweise auch wesentlich mehr Handarbeit. Die
freiwillige Landarbeit wurde eingeführt und seither gefördert.
Arbeiter
und Studenten können zwei Wochen oder zwei Jahre in der Landwirtschft
arbeiten und bekommen mindestens den gleichen Lohn wie in ihrem eigentlichen
Beruf. Die dauerhafte Ansiedlung auf dem Land zur Verhinderung der Landflucht
in die Ballungszentren wird außerdem durch Wohn- und Freizeitangebote
gefödert. Zur Versorgung der städtischen Bevölkerung mit
Lebensmitteln und zur Verminderung von Transporten und Lagerhaltung wird
landesweit, selbst in der Großstadt Havanna, die Anlage und Pflege
von privaten oder kommunalen Hausgärten mit Obst und Gemüse
und die Haltung von Hühnern und Schweinen unterstützt.
Bild 4: Gärten mit Nutzbäumen in einer Kleinstadt
Export und Marktchancen
Die kubanischen Forschungsergebnisse und Erfahrungen im biologischen Anbau
haben inzwischen auch die Produktion von verschiedenen tropischen Obstarten,
Zitrus, Kaffee und Kakao revolutioniert. Die kubanische Regierung hat
eine Gesetzesvorlage für ökologischen Landbau erarbeitet und
ist mit Unterstützung des renomierten Schweizer Forschungsinstituts
für biologischen Landbau (FiBL) dabei, eine Bio-Kontrollstelle aufzubauen.
Zielmarkt ist Europa. Man kann sich auf die rundum und im besten Sinne
ganzheitlich biologisch produzierten Produkte nur freuen.
The Greening of the Revolution - Cuba's experiment with organic agriculture, herausgegeben von Peter Rosset und Medea Benjamin, San Francisco.
Ocean Press, Melbourne 1994, 85 Seiten, zahlreiche Tabellen, Preis:€ 14,69
Der Bericht einer internationalen wissenschaftlichen Delegation und Expertenkomission, die Kuba Ende 1992 besuchte. Für Sozioökonomen, Agrar- und Ernährungswissenschftler sowie Ökologen ein sehr informatives, lesenswertes und brisantes Buch der Autoren aus San Francisco.
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Die Kuba-Küche von Alex Garcia
Umschau-Verlag, Neustadt/Weinstraße, 2005; 176 Seiten, Softcover, zahlreiche Farbfotos; € 16,90/sfr 27,80
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