Gesund und fit mit Spirulina, Teil 2
von Stefanie GoldscheiderProduktion, Ökologie und Qualität
Aquakultur von Spirulina
Großtechnische Produktion von Spirulina wird auf Hawaii, in Kalifornien, Thailand, Taiwan, Indien und China betrieben. Hier ist die Sonneneinstrahlung das ganze Jahr über sehr hoch. Das Klima ist warm und bietet der Alge beste Wachstumsbedingungen. In modernen Wasserfarmen wie auf Hawaii und in Kalifornien aber auch in asiatischen Ländern findet die Kultur in speziell dafür angelegten nur 15 bis 25 cm tiefen Becken statt. Um eine möglichst gleichbleibende Sonnenbestrahlung für jede einzelnen Mikroalge zu gewährleisten, wird das Wasser ständig mit Schaufelrädern in Bewegung gehalten (Bild rechts). Zudem kann die Qualität der Kultur in den Becken ständig überwacht und gezielt beeinflusst werden.
Bei der Algenkultur in natürlichen Seen können nicht die selben
Qualitäts- und Hygienestandards gewährleistet werden. Hier unterliegt
das Algenwachstum einem Jahreszyklus aus Vermehrung und Verwesung und
bildet die Nahrungsgrundlage für Kleinstlebewesen, Fische und Vögel.
Wasser und Nährsalze - ganz natürlich
Die Spirulinafarm in Hawaii, die weit abgelegen von Schadeinflüssen auf einer Landzunge aus Lavagestein liegt, verwendet ein Gemisch aus reinem Quellwasser und mineralstoffreichem Meerwasser aus der Tiefsee. In der kalifornischen Wüste gedeiht Spirulina im salzhaltigen Wasser des Colorado-River.
In den moderen Wasserfarmen (Bild rechts, Indien) wird mit mineralischen Nährstoffen gedüngt. Anders als in der Landwirtschaft kann für diese Aquakultur der natürlich vorhandene Chilesalpeter verwendet werden. Die Reinheit der
Spirulinakultur und die Unterbindung des Wachstums von unerwünschten
Fremdalgen wird durch ein ausgeklügeltes, biologisch ausgewogenes
und ständig kontrolliertes Gleichgewicht in den Becken gewährleistet.
Es werden keine Herbizide zur Vernichtung von Fremdbewuchs eingesetzt. Eine Kultur nach gültigen Richtlinien des kontrolliert biologischen Landbaus ist allerdings nicht praktizierbar und nicht sinnvoll. Offensichtlich kann und soll die Alge nicht organisch, beispielsweise mit Mist oder Kompost gedüngt werden.
Lesen Sie hierzu den Beitrag:
Spirulina – Bio-Richtlinien ad absurdum geführt
Spirulina, die Kohlendioxid-Senke
Bei optimalem Wachstum verbraucht Spirulina sehr viel Kohlendioxyd
aus der Luft. Zusätzlich wird CO2 aus Druckflaschen
ins Wasser geblasen. So kann das Photosynthesewunder Spirulina nicht nur
schneller wachsen, sondern auch viel mehr Sauerstoff produzieren.
Züchtung oder Anpassung?
Die sich extrem schnell vermehrende Alge kann sich im Laufe der Jahre
ihrer Umgebung anpassen und weiterentwickeln. Auf Hawaii entstand ‘Spirulina
Platensis Pacifica’, eine größere und schneller wachsende
Sorte. Andere selbstständige und gesundheitlich wünschenswerte
Anpassungen an spezielle Bedingungen wie z.B. an ein hohes Zinkangebot
im Wasser und höhere Zinkgehalte von Spirulina sind möglich.
Diese Prozesse vollziehen sich auf natürliche Weise und ohne Genmanipulation.
Verarbeitung von Spirulina
Die wertgebenden Inhaltsstoffe, also das Chlorophyll, die Vitamine und Vitalstoffe müssen beim Verarbeiten der Algen zu einer haltbaren Transportform wie Tabletten und Pulver möglichst vollständig erhalten bleiben. Das geschieht idealer Weise durch eine rasche Trocknung der abfiltrierten Algenpaste bei niedrigen Temperaturen, durch schonendes Pressen der Tabletten und durch sofortiges luftdichtes Verpacken. Hochwertiges Spirulina wird obendrein im lichtgeschützten und energiespeichernden Violettglas verpackt (Bild unten).
Leider ist Spirulina nicht immer von gleicher Güte an Inhaltsstoffen
und Reinheit. Es bestehen große Qualitätsunterschiede. Zur Haltbarmachung und Keimabtötung werden beispielsweise
in asiatischen Ländern Produkte häufig einer radioaktiven Bestrahlung
unterzogen.
Traditionelle Verwendung von Spirulina
Die Kanembu am Tschadsee
Auf lokalen Märkten am Tschadsee gibt es dünne, harte, blau-grüne Algenkuchen zu kaufen. Das Volk der Kanembu in Nigeria nennt dieses Produkt Dihé. Dihé ist wichtiger Bestanteil in 70 % aller Gerichte. Es wird zu Saucen aus Tomaten, Chillis und diversen Gewürzen verarbeitet, die zusammen mit dem Grundnahrungsmittels Hirse gegessen werden.
Hergestellt werden die Spirulinakuchen durch Sonnentrocknung. Zuvor werden die schwimmenden Algen aus geschützten Bereichen des Sees aus dem Wasser geschöpft (Bild links). Dann lässt man sie abtropfen und breitet sie im warmen Sand aus, wo sie rasch trocknen.
Die großen Algenmatten, die an die Ufer des Tschadsees treiben,
können auch vom Wind verweht und getrocknet in der umgebenden Wüste
gefunden werden.
Bis in die Zeit der spanischen Eroberung Mittelamerikas hinein verwendeten
die damaligen Herren des Landes, die Hochkultur der Azteken, das so genannte techuitlatl. Im Kaiserreich
Montezumas sollen Diener, die den Herrscher täglich mit frischem
Fisch versorgen mußten, was nur im Dauerlauf über sehr große
Entfernungen möglich war, als Kraftnahrung Spirulina verwendet haben.
Noch zu Cortez Zeiten wurde es auf den Märkten der Einheimischen
gehandelt und als Beigabe zu Brot und Körnerspeisen gegessen. Es
handelte sich um Spirulina, das Fischer mit feinmaschigen Netzen aus verschiedenen
Salzseen abschöpften (Bild rechts, Quelle "Human Nature"),
die damals noch nicht trocken gelegt waren. Heute gibt es Spirulina nur
noch im Texcoco See in Mexiko. Die anderen Seen, mitsamt den schwimmenden
Gärten der Azteken, mussten der schnelllebigen Zivilisation weichen
und sind heute unfruchtbare Wüste.
Bioenergie
Die Nutzung "nutzloser" Ressourcen
Der Kampf um die Ressourcen der Erde begann mit der Kolonialisierung.
Heute geht der Kampf weiter - um Erdöl, um Wasser, um landwirtschaftlich
nutzbares Land. Die wachsende Weltbevölkerung steckt in der Zwickmühle.
Es gibt nicht genügend fruchtbare Flächen um sie zu ernähren,
nicht genug Süßwasser, besonders im nördlichen
Afrika und im Nahen Osten und auch nicht genug Wald um das globale Klima
ausgeglichen zu halten. Es gibt aber unendlich viel Salzwasser, sehr viel
unfruchtbares Land und mehr und mehr Kohlendioxid. Alles nutzlos?
Brackwasser
Spirulina und andere Algen wachsen im Salz- oder Brackwasser, das es auch in vielen heißen und trockenen Länder gibt. Unsere Nutzpflanzen und -tiere dagegen benötigen alle Süßwasser zur Bewässerung beziehungsweise zum Trinken. Jedoch sind nur 2,5 % des Wasservorrats der Erde Süßwasser.
Obwohl Algen im Wasser wachsen, ist ihr relativer Wasserverbrauch zur Erzeugung von Protein im Vergleich zu allen anderen Nahrungsmitteln sehr gering.
Algen können getrocknet verkauft werden, sind bei Hitze lager- und
transportfähig und sehr lange haltbar. Spirulina ist nicht zuletzt
deswegen im Blickpunkt des öffentlichen Interesses in vielen warmen
Ländern weltweit.
Wüsten
Spirulinafarmen können auf unfruchtbarem Land errichtet werden. Sie sind die produktivsten Agrarsysteme überhaupt und erzeugen im Jahr 10 Tonnen reines Eiweiß je Hektar. Mit Sojabohnen erreicht man nur 1 Tonne, mit Rindfleisch nur 100 kg Eiweiß je Hektar.
Fruchtbares Land wird immer knapper und die Wüsten wachsen weltweit.
Diese Bedrohung hat viele Ursachen. Oft ist die Verwüstung von Menschen
gemacht und eine Folge der Landwirtschaft - ob zur Plantagenproduktion
oder zur Rinderzucht. Der Flächenverbrauch allein zur Rindfleischproduktion
in Südamerika ist immens und hat viel tropischen Regenwald mitsamt
Boden und Fruchtbarkeit vernichtet. Auch zum Soja- und Getreideanbau für
Tierfutter werden Wälder verschlungen.
Kohlendioxid
Das Kyoto-Protokoll besagt, dass mit CO2, dem Treibhausgas, international gehandelt werden soll. Damit sollen zumindest Teile der wahren Kosten allen Wirtschaftswachstums ökonomisch bewertet werden.
Eine schöne Perspektive für Spirulinafarmen in warmen Ländern.
Pro Kilo Spirulina könnten auch noch 1,5 kg CO2-Verbrauch
mit verkauft werden. Soviel Kohlendioxyd wird in Kohlenhydrate verwandelt,
während die Alge 1 kg Sauerstoff produziert. Vor allem aber schont
die Produktion von Spirulinaeiweiß den Holzvorrat des tropischen
Regenwaldes, der zur Gewinnung der gleichen Eiweißmenge in 10- bis
100-facher Flächenausdehnung der Agrarproduktion weichen müsste.
Sonnenenergie - eine unerschöpfliche Ressource
Die gesamte organische Substanz, die Mensch und Tier als Nahrung dient und Brennstoff und Werkstoff für alle Prozesse auf der Erde ist, wird mit Sonnenenergie erzeugt - in der Photosynthese. Die entscheidende Rolle übernimmt der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll. Chlorophyll absorbiert vor allem im Wellenlängenbereich des violetten und blauen aber auch des roten Lichts. Ultraviolett-Strahlung hat die höchste Frequenz und ist die energiereichste Lichtstrahlung. Pflanzen reflektieren nur das grüne Licht, die anderen Wellenlängenbereiche des Spektrums dienen zur Energiegewinnung, also zur Photosynthese. Blaualgen besitzen weitere wichtige Farbpigmente, die für eine wesentlich effektivere Ausnutzung der Sonnenenergie sorgen. Dies sind vor allem das orange-rote β-Carotin, das auch in allen anderen grünen Pflanzen vorkommt und das blaue Phycocyanin. Phycocyanin kommt ausschließlich in Cyanobakterien und Rotalgen vor. Einige Blaualgen sehen aufgrund des blauen Pigmentfarbstoffs tatsächlich blaugrün aus. Phycocyanin absorbiert bereits sehr schwaches Licht und reflektiert blau. Phycoerythrin absorbiert am anderen Ende des Lichtspektrums und kommt vor allem in Rotalgen vor.
Spirulina kann mit ihrem einzigartigen Komplex an Pigmenten praktisch
die gesamte Sonnenstrahlung aufnehmen und speichern. Kein Wunder also,
daß sie ins wissenschaftliche Interesse von Physikern und Biologen
gerückt ist.
Ernährung der Weltbevölkerung
Spirulinaproduktion in kleinen Anlagen auf Dorfebene kann einen wesentlichen Beitrag zur Selbstversorgung der Bevölkerung in heißen Ländern leisten. Das haben Pilotprojekte in Peru, Togo (Bild rechts), Senegal und Indien gezeigt. Die Ernährung und damit die Gesundheit der Bevölkerung ließ sich mit der anspruchslosen Alge schnell und nachhaltig verbessern.
- In den Entwicklungsländern ist Proteinmangel zusammen mit Vitamin- und Mineralstoffmangel die Hauptursache für Mangelernährung besonders bei Kindern. Der von WHO und FAO angegebene minimale tägliche Proteinbedarf von 31 g ist in 50 g Spirulina enthalten. Ein solch hoher Anteil in der Nahrung ist selbst bei den Kanembu nicht üblich. Trotzdem wird der Ernährungsstatus in Mangelsituationen durch Spirulina wesentlich verbessert.
- Studien der FAO sprechen von 14 Millionen Kindern weltweit, die an Vitamin A-Mangel leiden. Pro Jahr erblinden eine halbe Million Kinder durch Vitamin A-Mangel; 300 000 sterben daran im weiteren Verlauf. Hier könnte 1 g Spirulina pro Tag wahre Wunder bewirken.
- Nach Studien der WHO leben neun von zehn Menschen mit Anämie in Entwicklungsländern. Eisenmangel schwächt den Körper, das Immunsystem und die Leistungsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen. Spirulina enthält relativ viel Eisen und kann dazu beitragen die Lebenssituation zu verbessern.
Ausblick: Spirulina - Bioenergie der Zukunft
Versuche
bei der NASA und am Nationalen Raumfahrt Laboratorium in Japan mit Spirulina
im Weltraum nutzen den hohen Nährwert der Algen zur Fischproduktion
in Raumfahrtstationen. Das schnelle Wachstum der Alge ermöglicht
den gezielten und computergesteuerten Gasaustausch (Bild rechts). Es
gibt ehrgeizige Pläne für größer dimensionierte
biologische Lebenserhaltungssysteme mit Mikroalgen, die Sonnenlicht
und ausgeatmetes Kohlendioxyd der Astronauten sowie aufbereitete Abfälle
in genügend Sauerstoff, Protein und Energie für menschliches
Leben im Weltraum umwandeln sollen.
Buchtipp:
Kochrezepte mit Spirulina?Kraftort Küche - Gesund und vital mit Spirulina, Chlorella und Gräsern
von Alfons Roth und Cerina Thon
Edition Fona, Lenzburg, 2005, 105 Seiten, gebunden, 46 Farbfotos, € 19,90
Ein neues ungewöhnliches Kochbuch für Alle, die gerne experimentieren und lieber grünes Essen probieren als grüne Pillen und Pulver schlucken.
Das Buch beinhaltet einen großen Rezeptteil mit durch die grünen Produkte im Nährstoffgehalt aufgewerteten Speisen und Getränken. Die einzelnen Kapitel: Einführung - Spirulina - Chlorella - Weizengras - Drinks - Suppen, Salate, Vorspeisen - Hauptgerichte - Dips, Saucen, Aufstriche - Süßes und Snacks.
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