Bruderhähne – ein Rückblick

von Robert Brungert

Zweinutzungshühner

Kaum ein Zweig der Nutztierhaltung ist derart industrialisiert, wie die Hühnerhaltung. Die einst typische Käfighaltung für Legehennen wurde in Deutschland und in vielen anderen Ländern bereits verboten. Masthühner werden wie zuvor in klimatisierten Ställen auf dem Boden gehalten – dicht an dicht. Für Legehennen etablieren sich die Bodenhaltung, Bodenhaltung mit Auslauf und Biohaltung in Groß- oder Kleingruppen.

Auf jede Legehenne kommt ein Hähnchen und wird zum Grillhähnchen? Für die Fleischproduktion werden optimierte Hybrid-Rassen verwendet, die teils bereits nach 29 Tagen geschlachtet werden.

Die Brüder der Legehennen, Bruderhähne, setzen zu langsam Fleisch an, sind unwirtschaftlich und werden bislang meist am ersten Lebenstag vergast oder geschreddert. Wie zuvor bei der Käfighaltung empören sich immer mehr Verbraucher und fordern ein Ende des Kükentötens. Doch wie war es früher und welche Optionen gibt es heute?

Eier und Fleisch von Hühnern seit Römerzeiten

Das Haushuhn begleitet die Menschheit möglicherweise seit über 8000 Jahren. Über den Orient und Afrika erreichte es Europa um vermutlich 700 v. Chr. oder früher. Hühner wurden meistens zur Unterhaltung gezüchtet, die Hähne starben im Hahnenkampf. Erst die Römer etablierten Haushühner in Europa für die Produktion von Eiern und Fleisch, sie kannten mehrere gute Wirtschaftsrassen. Diese verbreiteten sich bis über den römischen Einflussbereich hinaus, lebten auf den Höfen und passten sich den regionalen Gegebenheiten an. Es entstanden Landhühner mit regionalen Eigenschaften.

Auch heute noch vertragen sich Hähne höchstens, wenn sie genug Fläche oder Hennen für sich vorfinden. Auch damals waren mindestens 75 % der Hähne Überhang und wurden vermutlich sehr gerne geschlachtet und teils auf dem Markt verkauft. An Tierschutz hat wohl kaum einer gedacht, die Bruderhähne durften jedoch aufwachsen.

Britische Königin Victoria – Trend zur Hühnerzucht

Cochin-Hühner

Das Britische Empire erblühte durch technischen Fortschritt und betrieb Handel mit der ganzen Welt. Die Entdecker, Eroberer, Reisenden oder Fernhändler brachten exotische Waren oder auch Tiere mit, um sich beliebt zu machen. Es war das Jahr 1842, als Edward Belcher der Britischen Königin Victoria mehrere Hühner schenkte, die sehr groß und ruhig waren. Die Königin begann eine sehr erfolgreiche Hühnerzucht. Sie verteilte ihre Hühner unter Adeligen und anderen betuchten Leuten. Schon zwei Jahre später wurde diese Rasse zur Einkreuzung in heimische Hühnerrassen empfohlen. Die einstige Rasse ist noch heute als Cochin bekannt (Bild).

Königin Victoria hat damit maßgeblich zu dem Trend der Hühnerzucht beigetragen, der zeitgleich in Nordamerika einsetzte. Die Hochphase heißt heute „The Fancy“ und wird mit der holländischen Tulpenblase verglichen.

Die Menschen erkannten, dass sie Hühner sehr gut auf ihren Verwendungszweck züchten können, womit um 1850 eine gezielte Rassezucht einsetzte. Gregor Mendel lebte bereits, doch seine Mendelschen Gesetze wurden erst ab 1900 richtig bekannt. Dieses Wissen hat möglicherweise die Zuchterfolge einiger Züchter noch beflügelt.

Zumindest setzte ab 1850 eine Blüte der Hühnerzucht ein, die erst durch die Weltkriege und die anschließend folgende Hybridzucht sehr schwer erschüttert wurde.

Das einstige Wirtschaftshuhn – ein Zweinutzungshuhn

Aufgrund der Entwicklung zur Hühnerzucht entstanden bereits ab 1850 überall Vereine, Clubs oder andere Züchtergemeinschaften. Viele betuchte Leute machten die Hühnerzucht zu ihrem Hobby. Es gab durchaus schwere Fleischrassen, leichte Legehühner und auch Hühner, die beide Eigenschaften vereinten. Noch dachte keiner daran, dass Bruderhähne unwirtschaftlich sind. Viele Züchter bemühten sich eher um Rassen, die gut legen und mit den Hähnen genug Fleisch ansetzen, um jedes gesunde Küken aufzuziehen.

Auch in dieser Zeit liefen die Hühner noch über dem Hof oder hatten für größere Bestände ihren Stall mit Weide. Dass Hühner einen Teil vom Futter selber suchen, war sehr willkommen, da es die Kosten deutlich reduziert.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg funktionierte die Geflügelzucht noch kleinbäuerlich. Hühnerhalter waren häufig Selbstversorger, die etwas Platz hatten und noch Geld auf dem Markt verdienen wollten. Es waren also eher Bestände von maximal einigen 100 Hühnern, die Bruderhähne waren als Fleischlieferanten meistens sehr willkommen.

Etablierung der Hybridhühner

Sogenannte F1-Hybriden sind die ersten Nachkommen aus der Kreuzung von zwei stabilen Rassen. Wenn die Eltern ihre Erbanlagen zum Vorteil der F1-Hybriden weitergeben, wird vom Heterosis-Effekt gesprochen. Für die Hybridzucht ist also die richtige Wahl der Ausgangsrassen sehr wichtig.

Professionelle Hybridzüchter wählen die Elternrassen, stabilisieren die entscheidenden Eigenschaften und erhalten die reinerbigen Zuchtlinien. Diese geben wegen ihrer entscheidenden Reinerbigkeit immer diese Eigenschaften an ihre Nachkommen weiter. Inzwischen geht es häufig noch einen Schritt weiter: Zwei Hybridrassen werden erneut zu den sogenannten Doppelhybriden gekreuzt. Doppelhybriden sind bei verschiedenen Nutzpflanzen, aber auch in der Hühnerzucht etabliert. Bereits einfache Hybriden vereinen die positiven Eigenschaften ihrer Elternrassen und stellen diese damit in den Schatten. Doppelhybriden bringen noch mehr Leistung, können sich aber als überzüchtet umschreiben lassen.

In den USA entstanden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg verschiedene Hybridhühner, die in den Nachkriegsjahren Deutschland erreichten. Ab den 1960er Jahren lösten Hybridhühner die alten Wirtschaftsrassen wie über Nacht ab. Viele einstige Hühnerrassen sind sogar verschwunden oder vom Aussterben bedroht.

Die neuen Leistungshybriden werden wie vorher die Hühnerrassen auf ihren Verwendungszweck optimiert. Der eine Schwerpunkt sind Fleischhühner, hier können Hähne und Hennen verwendet werden. Im anderen Schwerpunkt der Legehennen bleiben jedoch die Bruderhähne als unwirtschaftlicher Ballast zurück und leben meist keine 24 Stunden.

Brutapparate für die Küken-Nachzucht

natürlicher Bruttrieb

Neben der Hybridzucht konnte aufgrund technischer Fortschritte eine weitere Entwicklung perfektioniert werden: Brutapparate waren durchaus schon vor 1950 vorhanden, aber nicht in heutiger Form. Beim Erbrüten der Hühnereier rächen sich bereits Temperaturschwankungen von 0,1° Celsius. Die passende relative Luftfeuchtigkeit und das regelmäßige Wenden der Eier sind ebenfalls extrem wichtig. Sehr guten Legerassen wird der Bruttrieb fast komplett weggezüchtet, damit sie nicht mit dem Legen aufhören. Einst wurden die Eier anderen Hennen untergeschoben und ausgebrütet. Inzwischen braucht es nur noch befruchtete Bruteier und diese können in beliebigen Mengen in exakt 21 Tagen ausgebrütet werden. Heutige Hühnerrassen sind noch weniger auf ihren Bruttrieb angewiesen und lassen sich noch besser vermehren. Genau das begünstigt die Zucht in das eine oder andere Extrem. Heutige Bruderhähne sind tendenziell noch weniger wirtschaftlich, als vor dem Einsetzen dieser Neuerungen.

Geschredderte Bruderhähne

Aus rein unternehmerischem Blickwinkel sind auf Legeleistung oder Fleischansatz optimierte Hybriden und Doppelhybriden sehr wirtschaftlich. Wenn bei den Legehühnern die Bruderhähne überbleiben, werden deren Küken geschreddert und anschließend noch verwendet. Es gibt seit des Auftretens des „Rinderwahns“ durchaus Gesetze, mit denen die Verwendung tierischer Erzeugnisse in der Futtermittelherstellung erheblich eingeschränkt ist. Die Ausbreitung von Tierseuchen soll damit unterbunden werden. Innerhalb dieser Regelungen kann sich der Unternehmer jedoch bewegen und die Reste zur Not durch eine Biogasanlage verwerten, um Entsorgungskosten zu vermeiden.

Aus ethischem Blickwinkel sind Entwicklungen wie Käfighaltung oder das Schreddern der Bruderhähne jedoch bedenklich. Es wird nach verschiedenen Auswegen gesucht. Dazu mehr im Artikel: „Ein Leben für Bruderhähne“


Autor: Robert Brungert

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