Farbatlas alte Obstsorten
Walter Hartmann, Eckart FritzVerlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 4. überarbeitete Auflage 2011, 318 Seiten, 445 Farbfotos, 7 Zeichnungen, gebunden, € 24,90.
Der landschaftsprägende Streuobstbau half vor allem in Süddeutschland über Jahrhunderte die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden, wohlschmeckenden, lagerbaren Nahrungsmitteln sicherzustellen. Er schuf eine artenreiche Kulturlandschaft und viele hundert Obstbaumsorten für unterschiedliche Ansprüche und Standorte.
Die vierte Auflage des Farbatlas beschreibt ca. 140 alte Apfelsorten, 100 Birnensorten sowie Pflaumen- und Kirschsorten mit eigenem Aroma, besonderem Aussehen und speziellen Eignungen. Sehr wichtig und deswegen bei alten Sorten anzutreffen waren besonders früh reifende und besonders spät reifende Früchte, denn die Versorgung übers ganze Jahr musste auch ohne weite Transporte und Kühllager sichergestellt werden. Eine breit gefächerte Blühperiode war ebenso wichtig um bei widrigen Wetterereignissen keine totalen Ernteausfälle zu erleiden. Doch was die alten Obstsorten besonders auszeichnet ist vor allem eine breite Palette an Eigenschaften hinsichtlich der Weiterverarbeitung, Lagerung und Verwendung. Mostobst war besonders begehrt und wichtig, genauso Dörrobst. Mehr Bedeutung als heute hatten auch Bratäpfel und Bratbirnen, also haltbare Sorten, die beim Garen angenehm süß und aromatisch wurden.
Heute sichern feine Obstbrände mit einzigartigem Aroma das Überleben alter Bestände, insbesondere das der hochstämmigen Birnbäume. Auch der Apfelsaft aus Streuobstanbau hat eine anerkannt hohe und unvergleichliche Qualität. Geschmacksvielfalt und Landschaftsschutz sind aber nur Teilaspekte der Erhaltungswürdigkeit der Traditionssorten. Von unschätzbarer Bedeutung für die Zukunft ist vor allem ihre breite genetische Basis als Genressource. Manch alte Sorte zeigt, entgegen der gängigen Meinung, dass nur moderne Sorten krankheitsresistent seien, große Toleranz gegen verschiedene Erreger. Gegen alle wirtschaftlich bedeutenden Krankheiten im Obstbau, dem durch pilzliche Erreger verursachten Schorf, dem bakteriell verursachten Feuerbrand und verschiedenen Virosen findet man im Buch resistente alte Sorten. Die im Atlas sorgsam ausgewählten Apfel-, Birnen, Kirsch- und Pflaumensorten sind also aus vielerlei Hinsicht interessant und auch für Gartenbesitzer anbauwürdig.
Jede Sorte ist abgebildet. Aufgeführt sind Namen und Herkunft, eine allgemeine Beurteilung, die Verwendung, eine Beschreibung der Frucht und des Baumes, besondere Merkmale und Verwechslungsmöglichkeiten. Die Neuauflage enthält sehr kleine Bilder vom Anschnitt der Äpfel und Steinen der Steinfrüchte, deren Bedeutung sich der Rezensentin allerdings nicht erschließt.
Ein Buch für Liebhaber, dem ich eine große Zahl von Lesern wünsche.
Stefanie Goldscheider