Hericium - Igelstachelbart

(Hericium erinaceus)

von Stefanie Goldscheider


Hericium - Der Affenkopfpilz

Der Igelstachelbart Hericium erinaceus ist ein sehr seltener Pilz. Zwar ist der Baumpilz in Deutschland und in weiten Teilen Europas, in Nordamerika, China und Japan einheimisch, jedoch wachsen die korallenartigen Fruchtkörper nur in sehr alten Wäldern, die es immer weniger gibt. Das Erscheinungsbild des Hericium Fruchtkörpers ist sehr eigentümlich und brachte dem Pilz viele phantasievolle Namen ein. In China heißt er Affenkopfpilz (hou tou gu), im englischen Sprachraum Löwenmähne (Lion's mane), in Frankreich weißer Bommel (Pom Pom blanc) und bei uns Igelstachelbart.

Hericium erinaceus wächst auf Laubholzbäumen in luftfeuchten und warmen Wäldern. Der Pilz ist ein Parasit. Der mit Leistlingen (1) und Korallenpilzen (2) verwandte Igelstachelbart kann aber auch auf Totholz und liegenden Stämmen wachsen. Sicherlich ist die Einrichtung von Nationalparks und Biosphärenreservaten in Waldgebieten eine Chance für diesen unter Naturschutz stehenden Pilz und die mit ihm verwandten Stachelbärte, die es in Deutschland auch auf Weißtannen gibt (Bild rechts: Hericium flagellum an Weißtanne-Totholz). Hericium flagellum an Weißtanne

Hericium ist in Deutschland kaum als Speisepilz bekannt. Der Pilz hat einen sehr intensiven und delikaten Geschmack und wird mit Lobster, Huhn oder Kalbfleisch verglichen, wobei auch exotische und zitronige Noten zu schmecken sind. In Scheiben geschnitten kann Hericium ähnlich wie ein Schnitzel in der Pfanne angebraten werden. Auch aufgrund seiner Heilkraft wird Hericium erinaceus vor allem in Asien auf Hartholz in Wäldern gezüchtet. Erfolgreich ist auch der geschützte Anbau auf Substrat.

In Japan heißt der Igelstachelbart Yamabushi-take und die Wertschätzung für diesen traditionellen Vitalpilz ist ähnlich hoch wie für den Shiitake. "Yamabushi" ist das japanische Wort für Bergprediger, "take" das Wort für Pilz.

Vorkommen und Beschreibung:

Hericium erinaceus ist ein Wundparasit und Saprobiont. Er ist Erreger einer Weißfäule im Kernholz und befällt große Wunden oder Astgabeln alter Hartholz-Laubbäume. Seine 5 bis 25 cm großen weißen Fruchtkörper können also in größerer Höhe am Stamm wachsen, wobei die Stacheln älterer Exemplare wie Haare herunter hängen. Diese Stacheln sind nicht verzweigt, zwei bis fünf Zentimeter lang und bei frischen Pilzen weiß. Die Stacheln entspringen einem großen gemeinsamen Fruchtkörper. Auch an toten Bäumen und zwar vornehmlich an Buche, Eiche und Walnuss kann Hericium einige Jahre lang weiter wachsen. Der Pilz ist in Deutschland und Europa extrem selten. In Japan wir Hericium erinaceus auf Stückholz insbesondere aus Hartholz wie Walnuss, Eiche, Buche oder Esche kultiviert. Eine weitere Methode ist die Kultivierung in geräumigen Flaschen. In den USA aber auch bei uns wir Hericium erinaceus erfolgreich auf Substratblöcken aus Sägemehl angebaut.

Verwendung:

In Asiatischen Ländern insbesondere in Japan, Korea und China ist der Pom Pom blanc als Speisepilz beliebt und als Vitalpilz begehrt. In der Traditionellen Chinesischen Medizin TCM wird er zur Stärkung der Verdauungsorgane und der Leber verwendet. Er gilt als wirksam gegen Geschwüre von Magen und Zwölffingerdarm sowie gegen chronische Magenschleimhautentzündung. Traditionell wird Hericium erinaceus gegen Antriebsarmut verschrieben. Vermahlene Fruchtkörper von Hericium werden als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Der gezielte pharmazeutische Einsatz von Hericium Extrakten in der modernen Medizin steht noch am Anfang. Zahlreiche klinische Studien zeigen und bestätigen jedoch seine vielfältige Wirksamkeit.

Inhaltsstoffe:

31 % Protein, darunter alle essenziellen und viele frei Aminosäuren, 4 % Fett, 10 % Mineralstoffe darunter viel Eisen und Magnesium, 18 % lösliche Kohlenhydrate, 30 % Ballaststoffe, pflanzliche Hormone, Vitamin D, Vitamine B1 und B2, Niacin. Nährstoffvergleich Speisepilze.
Im getrockneten oder frischen Pilz sind medizinisch wirksamen Substanzen enthalten. Glycoproteine, Sterole, Alkaloide und Lactone finden sich in großer Anzahl, ähnlich wie in anderen Vitalpilzen. Darüber hinaus untersucht man die in Hericium gefunden Erinacine und Hericerine (aromatische Verbindungen) hinsichtlich ihres Wirkungsspektrums.

Hericium gegen Magenschleimhautentzündung und Magengeschwüre

Chronische Gastritis und die möglichen Folgen wie Magesgeschwüre und sogar Magenkrebs können eine bakterielle Infektion der Magenschleimhaut durch das Bakterium Helicobacter pylori als Ursache haben. Weil der traditionelle Heilpilz Hericium beides kann - die Magenschleimhaut aufbauen und schützen und antibakteriell wirken - ist der Affenkopfpilz in der TCM ein Mittel der Wahl zur Entzündungshemmung und zur Heilung von Gastritis. Im Labor entfaltet Hericium gegen Helicobacter pylori aber auch gegen Salmonellen deutliche Wirksamkeit. Zusätzlich sind immunstimulierende und krebshemmende Effekte gegen Tumoren von Magen und Speiseröhre nachgewiesen worden. Auch Colitis ulcerosa und Morbus Crohn gelten als Anwendungsgebiete für den Heilpilz.

Stimulation von Gehirnfunktion und Nervensystem mit Hericium

Die traditionelle und erfolgreiche Anwendung des Hericium in der TCM gegen Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit führen in der Wissenschaft zu pharmakologischen Untersuchungen der Hericium-Wirkstoffe. Vielversprechend ist die Wirkung von Hericium-Extrakt auf Nervenzellen und Gehirnzellen. Tatsächlich wird nachweislich deren Wachstum und Regeneration angeregt. Unter anderem stimuliert Hericium den körpereigenen Nervenwachstumsfaktor. Die Extrakte aus Hericium mindern die Schädigung der Nerven durch Schadproteine bei Morbus Alzheimer. Diese Effekte erklären den erfolgreichen Einsatz bei neurologischen Störungen. In Patientenstudien konnte eine verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit festgestellt werden. Die Wirkstoffe könnten gegen Nervenkrankheiten und Demenzerkrankungen, gegen die sogenannte Verkalkung und Morbus Alzheimer aber auch gegen Morbus Parkinson helfen, womöglich auch bei Multipler Sklerose.

 

Stimmungsaufhellung und psychische Wirkung

Nicht nur die Erfahrungsmedizin sondern auch klinische Studien an Patientinnen, zeigen, dass Hericium Linderung bei Wechseljahrsbeschwerden, Schlafstörungen, und Angstzuständen bewirkt. Der Affenkopfpilz dient wie oben beschrieben traditionell der Stimmungsaufhellung. Diese Wirkmechanismen sind nicht aufgeklärt. Die Vielzahl der Hericium Wirkstoffe, darunter pflanzliche Hormone, Nervenwachstumsfaktoren und natürliche Entzündungshemmer führen vieleicht in ihrer Gesamtheit zu den positiven Effekten für das Wohlbefinden.

 


Autorin: Stefanie Goldscheider


Vitalpilze


Lesen Sie auch:
- Agaricus blazei Murrill
- Chaga
- Shiitake
- Maitake
- Cordyceps
- Polyporus
- Reishi

- Vitalpilze - Geschichte, Anwendungen, Wirkungen
- Zunderschwamm

Anhang

[1] - Zu den Leistlingen beziehungsweise Leistenpilzen gehören Pfifferling und Herbsttrompete, also exzellente Speisepilze.

[2] - Korallenpilze sind eine auffällige Pilzgruppe, häufig sind es Parasiten im Wurzelbereich großer Bäume wie etwa die Krause Glucke (Bild).


Neu erschienen:

Speisepilze selbst anbauenSpeisepilze selbst anbauen - für drinnen und draußen.

Von Stefanie Goldscheider

BLV-Verlag München, 2018, 112 Seiten, über 100 Farbfotos und Illustrationen, 15 Euro, ISBN 978-3-8354-1805-9.

Die berühmten Vitalpilze gehören häufig auch zu den besten Speisepilzen, sind also beides in einem. Zu Ihnen gehört der Igelstachelbart aber auch der Shiitake, der Austernpilz und die anderen Seitlinge, das Judasohr sowie Schopftintling und Champignons. Der Igelstachelbart ist nicht nur wirksam und schmackhaft sondern auch besonders einfach anzubauen. Dieser spezielle Pilz und weitere Arten können in Haus und Garten zu unterschiedlichen Jahreszeiten und insgesamt von Januar bis Dezember frisch geerntet werden. Das Buch zeigt praktikable Anbaumethoden für den Einstieg in die Pilzzucht zu Hause. In 15 ausführlichen Porträts werden die am sichersten zu kultivierenden Pilzarten vorgestellt. Bestellen bei Amazon

Quellen und Literatur zu Pilzen und Heilpilzen

- Heilende Pilze, Jürgen Guthmann, Quelle & Meyer 2016

- Zeitschrift für Phytotherapie, Hippokrates-Verlag 2007, Aktuelle Inhaltsstoffe aus höheren Pilzen in der wissenschaftlichen Forschung zu Immunsystem und Stoffwechsel.

- Chemistry, Nutrition, and Health-Promoting Properties of Hericium erinaceus (Lion’s Mane) Mushroom Fruiting Bodies and Mycelia and Their Bioactive Compounds, Mendel Friedman, J. Agric. Food Chem.

- Mykotherapie für Tiere. Vitalpilze: Heilkraft, Wirkung und Anwendung, Wanda May Pulfer, Thieme 2019.

- Growing Gourmet and Medicinal Mushrooms, Paul Stamets, 3rd ed. 2000, Ten Speed Press


- Die Großpilze Baden-Württembergs