Nationalatlas Relief, Boden und Wasser, Bundesrepublik Deutschland
Leibnitz-Institut für Länderkunde (Hrsg.), Herbert Liedtke, Roland Mäusbacher, Karl-Heinz SchmidtSpektrum Akademischer Verlag, Heidelberg - Berlin 2003; Großformat, Hardcover, 170 Seiten + 3 Folienkarten, zahlreiche Fotos, Grafiken und Tabellen, € 99,00

Der interessierte Leser findet in diesem Atlas in gedrängter, aber dennoch übersichtlicher und ansprechender Form eine Fülle faszinierender Informationen über die physische Geographie von Deutschland. Der Band regt zum Schmökern an, alles ist wissens- und lesenswert. Aufgrund der klaren Beschreibung der Geologie lernt der Leser die Landschaft, in der er sich befindet, genauer zu sehen und besser zu verstehen, sei es, dass es sich um eine eiszeitlichen Moränen- oder Lösslandschaft, eine Vulkan-, Schichtstufen-, Rumpfflächen- oder Karstlandschaft, eine Blockhalde, eine Fluss- oder Meeresküstenlandschaft handelt. Der wichtigste Wert des Werkes liegt aber in der logischen und emotionslosen Verbindung zwischen den unumstößlichen Gegebenheiten der Geologie, Boden- und Gewässerkundekunde auf der einen Seite und modernsten Aspekten der Belange der Umwelt und ihres Schutzes vor menschlichen Eingriffen auf der anderen Seite. So erfährt man etwa über die ungeheuren, erschreckenden und schier unlösbaren Probleme der Bergbaufolgelandschaften aus dem ehemaligen Uranabbau bei Ronneburg, aber auch, wie das Braunkohlenrevier südlich von Leipzig durch die Rekultivierung in eine Landschaft aus Seen, Wald, Landwirtschaft und Erholungsgebieten umgewandelt wird. Aus den Kapiteln über die Böden erfährt man, dass die Böden mit den höchsten landwirtschaftlichen Ertragsmesszahlen unter anderem in wieder aufgefülltem Gelände im Rheinischen Braunkohlenrevier zu finden sind. Ebenfalls in den Kapiteln über Böden liest man über den ökologischen Wert guter Böden und über die unwiederbringlichen Verluste gerade der wertvollsten Böden durch die Ausweitung von Wohn-, Industrie und Gewerbeflächen in manchen Ballungsräumen wie beispielsweise Stuttgart. Eindrucksvoll wird als besonders schwieriges und empfindliches Gewässer hinsichtlich der Wasserqualität die Ostsee beschrieben: Einerseits münden viele mit Schadstoffen belastete Flüsse ein, andererseits funktioniert der natürliche Wasseraustausch mit der Nordsee manchmal über mehre Jahre nicht.
In den meisten Kapiteln über umweltrelevante Themen werden die modernen Aspekte der Erhaltung der Umwelt trotz der knappen Form überzeugend dargestellt. Leider ist dies nicht bei allen entsprechenden Kapiteln gelungen oder beachtet worden. So ist im Kapitel "Hochwasserschutz" der Hinweis auf moderne schonendere und wirkungsvollere Schutzmaßnahmen - nämlich durch mehr Rückhaltung in den Einzugsgebieten statt durch immer höhere Flussdeiche - zu unauffällig und knapp geraten, und die Probleme der unvermeidlichen Unterströmung und Durchsickerung von Flussdeichen, welche schließlich zum Bruch der Deiche führen, sind nicht erwähnt. Für dieses hochaktuelle, gewichtige Thema des Hochwasserschutzes wären vier statt nur zwei Seiten im Atlas angemessen, zumal da auf diesem Gebiet Aufklärungsbedarf besteht und Umdenken erforderlich ist. Auch das Kapitel über die Gefahren "gravitativer Massenbewegungen" (Hangrutschungen, Bergstürze) ist übervereinfacht und unbefriedigend. Es kommt zu wenig zum Ausdruck, dass nicht allein oder in erster Linie die Geländeneigung ausschlaggebend ist für die Rutschgefahr, sondern auch die Beschaffenheit der Böden. In gewissen rutschgefährdeten Mittelgebirgslandschaften aus Lockerböden wird das Gleichgewicht vielfach nur durch Eingriffe durch den Menschen gestört.
Abgesehen von wenigen Kapiteln, für die eine ausführlichere Bearbeitung zu wünschen wäre, ist der Band 2 des Nationalatlas als ein gelungenes Werk zu beurteilen. Er ist nicht nur als interessante Lektüre und Nachschlagewerk für interessierte Laien zu empfehlen, sondern er sollte wegen seines Bezugs zu hochaktuellen Themen der Belastung und des Verbrauchs der Umwelt auch Pflichtlektüre und Arbeitsgrundlage für Ingenieure und Entscheidungsträger in öffentlichen Verwaltungen und für Politiker sein, die mit Eingriffen in die Landschaft oder das Grundwasser befasst sind. Dem Atlas ist große Verbreitung und Beachtung zu wünschen.
Dr.Ing. Michael Goldscheider,
Bauingenieur/Bodenmechanik und Grundbau