Passionsblume

Passiflora incarnata L, Passifloraceae

(Passiflorae herba)

Vorkommen und Beschreibung

Passiflora incarnataPassionsblumen (Passiflora spec.) sind eine artenreiche Gattung auffällig blühender und rankender Pflanzen beziehungsweise Lianen. Über 400 Passiflora-Arten sind in tropischen Regionen in Süd- und Mittelamerika beheimatet. Viele wurden bereits in präkolumbianischer Zeit von den einheimischen Indianern medizinisch und rituell verwendet. Der Name Passionsblume hat mit dem Aufbau der Blüte zu tun, der ihre christlichen Entdecker an eine Dornenkrone und damit die Passionsgeschichte erinnerte. 50 bis 60 Passiflora-Arten haben essbare längliche bis ovale Früchte, die in ihrem Aufbau einem Granatapfel ähneln. Im Spanischen und Französischen heißt die Passionsfrucht deswegen Grenadilla beziehungsweise Grenadille. Weltweite Bedeutung als Obst hat Passiflora edulis, die Maracuja. Die Frucht ist rund, die Fruchthülle außen ledrig und innen wattig und ausgefüllt mit sehr saftigen, glasig-gelben beziehungsweise gelatinösen Samen. Ganz ähnlich ist Passiflora incarnata, die fleischfarbene Passionsblume mit ihren essbaren Früchten, die in den USA Maypop heißen. Unter allen Passionsblumenarten besitzt P. incarnata, die aus dem Südosten der USA stammt, die größte Frosthärte und Dürreresistenz.. P. incarnata ist die am besten untersuchte Art, wenn es um die pharmazeutische Nutzung des grünen Krautes zu medizinischen Zwecken geht. Dafür wird die wunderschöne Pflanze in den USA und Indien auch angebaut. Bei uns kann die fleischfarbene Passionsblume und einige Sorten auf dem Balkon und an geschützten Stellen im Garten ebenfalls gezogen werden.

Verwendung:

Die Indianische Bevölkerung Mittel- und Südamerikas kannte und nutze Passionsblumen gegen Schlaflosigkeit und als Sedativum sowie bei Melancholie und gegen Epilepsie. Dazu wurde meist ein Tee aus dem Kraut bereitet. Bestimmte andere Passiflora-Arten dienten sogar zur Bewusstseinsveränderung, enthalten allerdings auch andere Wirkstoffe als P. edulis und P. incarnata und wurden teilweise geraucht.
In den USA, wo P. incarnata wild wachsend vorkommt, erkannte man bereits im 19. Jahrhundert ihren Nutzen gegen Nervosität und Schlaflosigkeit sowie Einschlafstörungen. Wissenschaftlich anerkannt ist inzwischen sowohl die beruhigende schlaffördernde Wirkung als auch eine krampflösende und angstlösende Wirkung.
Die glasigen Samen beziehungsweise das Fruchtfleisch, das die Samen der Passionsfrucht umhüllt, ergibt den Maracujasaft. Die Pulpa kann auch direkt aus der Schale gelöffelt oder geschlürft werden.

Inhaltsstoffe:

Die wichtigsten Wirkstoffe von P. incarnata sind die Flavonoide und die Glycoproteine. Daneben gibt es zahlreiche Wirkstoffe in kleinsten Konzentrationen darunter Ätherische Öle mit über 150 Komponenten. Die Flavonoide sind das wirksame Prinzip für die angstlösende und beruhigende Wirkung. Ayahuasca-Analoge [1] beziehungsweise Harman-Alkaloide [2], wie sie aus anderen Passiflora-Arten und Zubereitungen bekannt sind, sind in P. incarnata nicht enthalten.

Passionsblumenkraut zur Entspannung bei Stresssymptomen

Stress hat Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Psyche. In der Evolution des Menschen haben sich zur schnellen Bewältigung von Gefahren bestimmte körperliche Reaktionen herausgebildet. Unter anderem werden Muskeln angespannt, die Atemfrequenz erhöht, Energie bereitgestellt und Hormone aktiviert, damit wir einem Angriff entkommen oder ihn bekämpfen können. Nach Kampf oder Flucht ist der Stress abgebaut und unser Körper kann wieder entspannen, verdauen, ausruhen, Viren und Bakterien in Schach halten und sich regenerieren. Leider steigen auch bei unseren heutigen Stressfaktoren der Blutdruck, der Blutzuckerspiegel und der Cholesterinspiegel an, ohne dass diese durch körperliche Leistung genutzt werden. Zeitnot und Leistungsdruck führen, wie einst der Angriff einer Mammutherde, zur nervlichen Belastung und zu reduzierten Funktionen unseres vegetativen Nervensystems, der Verdauungsorgane, der Immunabwehr aber auch des Großhirns. Zum Stressabbau muss die Anspannung gedämpft werden und zwar durch die richtigen Botenstoffe an den richtigen Stellen im Gehirn. Die Steuerung übernimmt die Gamma-Aminobuttersäure, genannt GABA.

GABA

GABA ist die Abkürzung für einen wichtigen Botenstoff an Nervenzellen, genauer gesagt für den Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (engl. gamma-aminobutyric acid). GABA wird in den Nervenzellen des Gehirns und ihn zahlreichen Organen und Geweben produziert, unter anderem in Magen, Darm und Bauspeicheldrüse sowie in Hoden, Eileiter und Uterus. Im Gehirn und den anderen Organen gibt es außerdem entsprechenden Bindungsstellen für GABA. Durch Bindung des Neurotransmitters an den Rezeptor wird die Information übermittelt und so die körperliche Reaktion ausgelöst. Das Zentralnervensystem und das Hormonsystem werden also über GABA und die GABA-Rezeptoren gesteuert.

Im Zentralnervensystem hemmt GABA die Reizleitung und dämpft dadurch sehr viele Prozesse im Gegenspiel mit dem erregenden Neurotranmitter Glutamat. Im gesunden Organismus herrscht ein Gleichgewicht beider Botenstoffe. Dies wird gewährleistet indem GABA aus Glutamat gebildet und zu diesem auch wieder abgebaut wird. Die wichtigsten Aufgaben von GABA sind Angstlösung, Schmerzlinderung, Entspannung, Krampflösung und Schlafförderung. Mögliche Symptome eines GABA-Mangels ergeben eine lange Liste: Muskelverspannungen, Angst, Nachtschweiß, Hyperventilation, hoher Puls und Herzrasen sowie Missempfindungen wie Kribbeln im Bein, veränderte Geruchswahrnehmung und Tinnitus aber auch Gedächtnisstörungen. Bei Bluthochdruck, nervösem Darm, PMS Depressionen, Epilepsie und Schizophrenie zeigen sich stark verminderte GABA-Konzentrationen.

GABA überwindet die Blut-Hirn-Schranke nicht, weswegen die orale Einnahme die Effekte im Zentralnervensystem nicht beeinflussen kann, wohl aber die Effekte auf Drüsen und Organe.

Hilft bei Nervöser Unruhe und Schlafstörungen

PassifloraMedikamente mit ähnlichen Wirkungen wie GABA werden in Form von Beruhigungsmitteln (Sedativa), Schlafmitteln (Barbiturate) und Psychopharmaka (Benzodiazepine) verabreicht. Die Suchtwirkung tritt bei diesen Medikamenten sehr schnell ein. Eine andere Möglichkeit der Beeinflussung ist die körpereigene Produktion von GABA anzuregen oder die Bindungsstellen, an denen GABA wirkt (GABA-Rezeptoren), zu beeinflussen. Auch die GABA-Bindungsstellen selbst, können gehemmt oder stimuliert werden. So können beruhigende Wirkungen zusätzlich verstärkt und verlängert werden. Diese Wirkungen entfaltet das Naturheilmittel Passionsblumenkraut und zwar ohne ein eigenes Suchtpotenzial zu besitzen. Laut europäischen Arzneibüchern ist Passiflora geeignet zur Behandlung von nervöser Unruhe, bei Anspannung und Belastung sowie bei Schlafstörungen. Traditionell wird Passionsblumenkraut bei Nervosität, Krämpfen und Schmerzen sowie für einen gesunden erholsamen Schlaf und für mehr Gelassenheit verabreicht.

Angstlöser Passionsblumenkraut

Psychopharmaka und die Psyche beeinflussende Substanzen wie Alkohol und Nikotin machen süchtig. Gerade bei Angstzuständen, Melancholie und Depressionen ist der Entzug besonders schwierig. Deswegen ist die angstlösende Wirkung von Passionsblumenkraut, die mittlerweile wissenschaftlich bestätigt werden kann, besonders hervorzuheben. Passionsblumenkraut-Extrakt macht selbst nicht süchtig, ist nicht muskelrelaxierend und nur leicht bis gar nicht sedierend. Die angstlösende Wirkung von Passionsblumenkraut ist vergleichbar mit Benzodiazepinen. Das traditionelle Naturarzneimittel kann sogar verwendet werden um Entzugserscheinungen bei Alkohol, Zigaretten oder Medikamentenabhängigkeit zu mildern. Insgesamt ist Passionsblumenextrakt ein praktisch nebenwirkungsfreies und sehr sicheres Arzneimittel.

 


Autorin: Stefanie Goldscheider

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Andere beruhigende, entspannende und angstlösende Arzneipflanzen:
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Anhang

[1] Ayahuasca ist eine Lianenart aus dem Amazonasbecken und ein ebenso halluzinogener Trunk mit dieser Liane und anderen Pflanzen, der von Ureinwohnern des Amazonas rituell und religiös genutzt wird. Die Einnahme von Ayahuasca löst starke Visionen aus, gefolgt von einem tiefen Schlaf, hat aber auch Erbrechen, Durchfall und andere Nebenwirkungen zur Folge.
[2]
Harman-Alkaloide kommen in einigen Pflanzenarten vor, darunter in der Steppenraute und in Ayahuasca. Einige Harman-Alkaloide sind halluzinogen, einige beeinträchtigen die Bewegungskoordination, einige den Realitätssinn.

Literatur:
- Heilpflanzen für Kopf und Seele, N. Perry, E. Perry, Haupt, 2019
- Fintelmann, V; Weiss, R.F.; Kuchta, K.: Lehrbuch Phytotherapie; 13. Aufl. 2017; Haug Verlag, Stuttgart

- Bühring, U. Praxis Lehrbuch Heilpflanzenkunde; 4. überarbeitete Auflage 2014; Haug Verlag
- Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen; Kosmos Verlag Stuttgart, 2004
- Frohne, D.; Jensen: Heilpflanzenlexikon; 7. Aufl. 2002; Wissenschaftliche Verlags GmbH, Stuttgart
- Wichtl, M.: Teedrogen und Phytopharmaka, 4. überarb. Aufl. 2002; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Zeitschrift für Phytotherapie, Hippokrates-Verlag