Getreide
Von Stefanie Goldscheider
Weizen - Brot und Nudeln
Weizen ist das vielseitigste und zugleich wichtigste Getreide auf der Welt. Weizen ist ein Gras das über sehr lange Zeiträume von ungezählten Bauern gezüchtet wurde. Die Art ist bis heute sehr formenreich. Es gibt insgesamt 25 Wildarten und Kulturarten mit dem wissenschaftlichen Gattungsnamen für Weizen - Triticum. Weizenarten sind hochwüchsig oder haben kurze Halme, ihre Ähren tragen bespelzte oder nackte Körner. Diese haben Grannen oder auch nicht. Durch diese Unterschiede sind Weizensorten für den Anbau in verschiedenen Klimazonen geeignet. Weltweit gibt es insgesamt zwischen
Getreide ist der weltweite
Lieferant Nr. 1 für Protein,
weit vor Eiweißpfanzen und
weit vor tierischem Eiweiß.
Wichtig für die Verarbeitung zu Brot oder Teigwaren ist die Kornbeschaffenheit. Man unterscheidet glasige und mehlige Körner.
Der Gehalt an Protein ist sehr bedeutsam für die menschliche Ernährung, denn noch immer wird weltweit das meiste Eiweiß in Form von Getreide und nicht durch tierische Produkte konsumiert! Allerdings ging die Züchtung hin zu höheren Proteingehalten beim Weizen auf Kosten der Eiweißwertigkeit, also des Gehaltes an essenziellen Aminosäuren. Anders gesagt ist das Protein, dessen Gehalt man züchterisch erhöht hat, keine essenzielle Aminosäure. Das meiste Protein in heutigem Weizen ist das Gluten. Ursprünglichere Weizen-Arten und Sorten enthalten weniger Gluten und damit insgesamt hochwertigeres Eiweiß.
Weichweizen oder Saatweizen
Das Brotgetreide Nummer Eins ist der sogenannte Saat- oder Weichweizen (Triticum aestivum). Sein Korn ist im Inneren weiß und mehlig und ergibt bestes Mehl für Brote, Brötchen und Feingebäcke. Seine Backeigenschaften, das Aufgehen, die Krustenbildung und die saftige Krume sind erstklassig. Das liegt am hohen Eiweiß- beziehungsweise Glutengehalt. Der Glutengehalt des vollen Korns beträgt 7,7 %. Weizenmehl hat bis über 9 % Gluten. Beste Anbaugebiete für guten Weichweizen sind gut gedüngte Böden in gemäßigtem Klima mit ausreichender Feuchtigkeit, wie in Mitteleuropa.
Man unterscheidet weiterhin zwischen Sommer- und Winterweizen.
Hartweizen oder Durumweizen
Weltweit sehr bedeutsam ist der Hart- oder Durumweizen (Triticum durum), der vor allem beste Eignung für die Nudelherstellung besitzt. Sein Korn ist im Inneren gelb und glasig. Hartweizen ist eiweißreich aber vor allem glutenreich. Der Eiweißgehalt von Hartweizen beträgt über 15 %. Davon sind 70 % Gluten. Das Eiweiß von Hartweizen ist fest mit der Stärke verbunden und deswegen für Nudeln besonders gut geeignet. Es macht Pasta kochfest und bissfest. Durumweizen wird in südlichen Ländern angebaut und ergibt nur im trockeneren Klima gute Erträge und Qualitäten.
Einkorn und Emmer
Der ursprünglichste Weizen in der langen Züchtungsgeschichte ist Einkorn (Triticum monococcum). Einkorn hat lange Grannen wie Wildgräser, Spelzen wie der Dinkel und sehr kleine Körner, die aber sehr mineralstoffreich, eiweißreich, glutenarm und innen gelb sind. Etwas größer ist der Emmer (Triticum dicoccum), der wie Einkorn und Dinkel ein Spelzgetreide ist, das sich für die Vollkornbäckerei eignet. Auch Emmer hat geringere Glutengehalte.
Dinkel oder Spelz und Grünkern
Der Dinkel (Triticum spelta) ähnelt dem Weichweizen am Meisten. Er hat mehlig-weiße aber größere Körner als Weichweizen, einen höheren Proteingehalt. Aufgrund seiner guten Krankheitsresistenz im Anbau und des hohen Eiweißgehaltes, auch auf wenig gedüngten Böden, ist er im Biolandbau und für Bioprodukte sehr beliebt. Viele Weizenallergiker vertragen Dinkel besser als Weizen, obwohl nicht nur der Proteingehalt mit 15 % sondern auch der Glutengehalt mit fast 10 % höher sind. Das Brot ist allerdings etwas trocken, Kekse dafür schön knusprig. Dinkel-Anbau ist auch im kühlen bis rauen Klima der Mittelgebirge erfolgreich.
Unreifer, also grün geernteter Dinkel ist eine traditionelle Spezialität aus Südwestdeutschland und ergibt Grünkern. Er eignet sich hervorragend für pikante Pfannkuchen und vegetarische Burger aber auch zur Beimengung in Buletten oder Maultaschenfüllungen.Kamut oder Khorasan
Ein weiterer sehr ursprünglicher Weizen, der mehr dem Hartweizen ähnelt, ist der Khorasan-Weizen (Triticum turgidum x polonicum). Er ist in Ägypten und dem Nahen und Mittleren Osten heimisch. Heute wird eine Sorte davon als Kamut vermarktet. Khorasan-Weizen haben sehr große, glasige und gelbe Körner mit sehr hohem Eiweißgehalt. Der Vorfahre des Hartweizens ist für die Erzeugung von Teigwaren und Brot gleichermaßen gut geeignet. Der Glutengehalt ist entsprechend auch bei Kamut hoch! Der Eiweißgehalt von Kamut beträgt über 15 %. Davon sind über 50 % Gluten. Selbst Vollkornbrot wird wunderbar hell und gelb und bleibt lange saftig. Gute Qualitäten gedeihen nur im sommertrockenen Klima.
Roggen - Brotgetreide des Nordens
Der Roggen (Secale cereale) ist eine sehr alte und heute sicher unterschätzte Getreideart. In weiten Teilen der Welt ist Roggen eher unbekannt. Er wächst noch auf ärmsten Böden auch im kalten Klima. Anders als Weizen ist der Roggen genetisch vielfältig und an viele Standorte gut angepasst. Er ist die wichtigste Getreideart in Skandinavien, Osteuropa und Sibirien und sehr bedeutsam im deutschsprachigen Raum. Unsere weltberühmte Brotvielfalt beruht auf der Verwendung von Roggen. Roggen hat den geringsten Glutengehalt aller Brotgetreidearten! Der Glutengehalt beträgt mit etwas über 3 % weniger als die Hälfte von Weizen und weit weniger als ein Drittel von Dinkel! Trotzdem ist Roggen sehr gut backfähig, ergibt eine gute Krume, die lange frisch und feucht hält. Er hat ein gutes Aufgehvermögen, allerdings nicht mit Hefe [1] sondern mit Sauerteig [2]. Roggenbrote sind sehr aromatisch. Die Backfähigkeit kommt nicht vom Klebereiweiß Gluten sondern von Pentosanen, einer Gruppe von Kohlenhydraten. Der Proteingehalt von Roggen ist mit ca. 10 % gering. Die Aminosäure-Zusammensetzung ist gut, ebenso die Vitamin- und Mineralstoffgehalte, wie auch die Gehalte an ungesättigten Fettsäuren.
Gerste - einst Brot-, heute Braugetreide Nummer Eins
Gerste (Hordeum vulgare) gibt es als Spelz- und als Nacktgetreide, mit oder ohne Grannen. Das vielfältige Erscheinungsbild bedeutet auch eine sehr große Anpassungsfähigkeit an alle Klimazonen und Bodenverhältnisse. Sommergerste hat die kürzeste Vegetationszeit aller Getreidearten und kann dadurch sogar in Dürregebieten wachsen. Darüber hinaus wurden Sorten mit sehr unterschiedlichen Inhaltsstoffen gezüchtet. Gerste mit besonders niedrigem Proteingehalt hat eine sehr große Bedeutung als Braugerste. Früher war Gerste ein wichtiges Brotgetreide. Eine gewisse Bedeutung hat der Gerstenkaffee beziehungsweise Malzkaffee aus Gerste behalten. Afrikanisches beziehungsweise Äthiopisches Fladenbrot (eigentlich eine Art Pfannkuchen) und ein Gerstenbrei im Hochland der Anden sowie Graupen werden noch immer aus Gerste gemacht. In Gerste vorhandene Beta-Glucane und Pentosane sind für eine gesunde Ernährung sehr günstig. Sie senken den Cholesterinspiegel und den Blutzuckerspiegel. Gerste enthält mit 5,5 % viel weniger Gluten als Weizen oder Dinkel. Übrigens hat Pils oder Lagerbier nur einen Bruchteil des Glutengehalts von Weizenbier!
Hafer - die moderne Getreideart
Hafer ist anders. Er ist keine ursprüngliche Getreideart der Antike. Möglicherwiese kam Hafer als Unkraut mit den Nutzgetreidearten Weizen und Gerste nach Europa. In nördlichen Breiten reicht seine Anbaugeschichte dennoch bis zu 7000 Jahre zurück, in Mitteleuropa bis zu 5000 Jahre. Hafer mag und verträgt sehr viel Niederschlag und sogar staunasse sowie schlechte Böden. Russland und Kanada gefolgt von Finnland und Polen sind die größten Haferproduzenten. Ernährungsphysiologisch ist Hafer die wertvollste unserer Getreidearten. Er enthält mit 4,5 % sehr wenig Gluten, dafür sehr viel beta-Glucan und mit 9 % für ein Getreide sehr viel Fett, darunter ungesättigte Fettsäuren. Hafer ist auch für empfindliche Personen gut verträglich durch einen besonders hohen Gehalt an löslichen Ballastsoffen und einen niedrigen Gehalt an unlöslichen Ballaststoffen. Hafer senkt den Cholesterinspiegel und den Blutzuckerspiegel. Haferflocken und Müsli erhält man aus thermisch behandeltem Hafer, damit die Fettsäuren nicht ranzig und damit bitter werden. Die Beimengung von Haferschrot in Brot und Gebäcke sollte mit frisch gemahlenem Hafer erfolgen, der angenehm nussig schmeckt.
Glutenfreie echte Getreide und Pseudogetreide
Andere Weltgetreidearten sind Hirsen (Rispen- und Kolbenhirsen), Reis und Mais. Sie zeichnen sich durch Glutenfreiheit aus und können mit Getreidemühlen gemahlen und für glutenfreie Gebäcke und glutenfreie Brote verarbeitet werden. Daneben sind die anderen getreideähnlichen Pflanzenarten, die sogenannten Pseudocerealien von lokal großer Bedeutung - Buchweizen, Amaranth und die Reismelde Quinoa. Auch sie sind glutenfrei, können zu Mehl gemahlen werden und in Beimengung in Brote verarbeitet werden.
Anhang
[1] Hefen sind Mikroorganismen und gehören zu den Pilzen beziehungsweise den Schlauchpilzen. Hefen vergären Kohlenhydrate zu Ethanol, also Alkohol, und Kohlendioxid. Sie sind in der Natur weit verbreitet, werden aber heute meist als Reinzuchthefen eingesetzt und zwar zur Bereitung von Wein, Bier, Brot und Hefegebäck.
[2] Sauerteig ist das älteste Triebmittel der Welt und völlig natürlich. Mehlteig gärt spontan auf biologischem Weg und wird so zu Sauerteig. Beteiligt sind natürliche Hefen, Essigsäurebakterien und Milchsäurebakterien, die durch Gasbildung den Sauerteig lockern und ihn dabei ansäuern. Nach mehrstufiger Sauerteigführung, das heißt dem erneutem Zusatz von Mehl und Wasser und erneutem stehen und gären lassen entsteht ein wohlriechender Teig und ein lange frisch haltendes, aromatisches, gleichmäßig gelockertes Brot.
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