Morcheln - Spitz- und Speisemorchel
von Stefanie GoldscheiderLebensraum und Botanik der Morcheln
Morcheln gehören zu den besten und teuersten Edelpilzen. Spitzmorchel und Speisemorchel, die beide gleichermaßen aromatisch, delikat und bissfest sind, gedeihen überall in den gemäßigten Breiten der nördlichen Hemisphäre. Sie sind in Nordamerika, Europa und Asien heimisch und in mehreren Arten verbreitet. Morcheln wachsen an Wegrändern und Böschungen, in Auen, nach Überflutungen und nach Waldbränden. Morcheln sind Zersetzer; sie wachsen auf abgestorbener organischer Substanz, nicht jedoch auf Holz. Man kann sie sogar im eigenen Garten auf frischem Rindenmulch finden. Die Gemeinsamkeit dieser Standorte ist das Fehlen von Konkurrenten. Morcheln nutzen freie Nährstoffe und Licht, wachsen sehr schnell und besiedeln gestörte Flächen neu. Ihre Züchtung ist dennoch sehr schwierig.
Der wissenschaftliche Name Morchella leitet sich vom alten deutschen Namen Morchel ab. Morcheln sehen auf den ersten Blick wie gewöhnliche Pilze aus (wenn man die Bezeichnung "gewöhnlich" im Zusammenhang mit dieser vielgestaltigen Organismengruppe überhaupt verwenden will). Botanisch werden Morcheln einer von Steinpilz, Pfifferling und Champignon weit entfernten Pilzabteilung zugeordnet. Die seltsamen Fruchtkörper der Morcheln lassen ihre Zugehörigkeit zu den Schlauchpilzen oder Becherlingen (Ascomycetes) [1] erkennen.
Morchel-Bestimmung und -Verwechslung
Morcheln erscheinen im Frühjahr. Ab März bis Mai kann man die gut getarnten Delikatessen, manchmal in Büscheln wachsend finden. Man unterscheidet - vor allem im englischsprachigen Raum - schwarze Morcheln, zu denen die Spitzmorchel zählt (Bild oben), von gelben oder grauen Morcheln wie der Speisemorchel (Bild links). Das Erscheinungsbild der Morcheln mit der typischen wabenartigen Oberfläche variiert aber nicht nur in der dunkleren oder helleren Farbe des Hutes. Die Spitzmorchel erscheint früher im Jahr als die Speisemorchel. Die Spitzmorchel hat einen schmaleren Hut mit ausgeprägten Längsrillen. Die Speisemorchel hat einen runderen Hut mit gleichmäßiger Wabenstruktur.
Verwechselt werden können die exzellenten Speisepilze Spitzmorchel (Morchella conica, elata und deliciosa) und Speisemorchel (Morchella esculenta, rotunda und vulgaris) mit der giftigen Frühjahrs-Lorchel und manchen Verpeln. Obwohl die Frühjahrs-Lorchel und die Verpeln in der selben Jahreszeit wachsen und weder Hutfarbe noch Größe des Fruchtkörpers sichere Erkennungs- und Unterscheidungsmerkmale sind, kann man Verwechslungen leicht vermeiden: Morcheln haben einen hohlen Stiel, der mit dem ebenfalls hohlen Hut verwachsen ist. Die Morchel im Längsschnitt bildet also einen sehr typischen gemeinsamen Hohlkörper (Zeichnungen rechts und links). Der Fruchtkörper ist dünnwandig, elastisch und doch brüchig. Geruch und Geschmack sind angenehm würzig, aber mild.
Bei Lorcheln sind Stiel und Hut in mehrere Kammern unterteilt. Die giftige Frühjahrs-Lorchel hat außerdem nicht die typisch wabenförmige Hutoberfläche der Spitz- und Speisemorchel. Die Hüte der Lorcheln haben eine gehirnartig gewundene Oberfläche. Lorcheln, insbesondere die Frühjahrs-Lorchel enthalten Leber- und Nieren schädigende Pilzgifte (Gyromitrin) und können, ähnlich wie der Knollenblätterpilz, tödlich giftig sein.
Bei Verpeln (Zeichnung rechts) bildet der Hut keinen Hohlraum sondern ist oben am Stiel angewachsen. Verpeln sind zwar ungiftig aber dennoch keine Speisepilze und stehen wie die anderen Morchelartigen unter Naturschutz, sollen also geschont werden!
Inhaltsstoffe und Gesundheitswert von Morcheln
Pilze sind kalorienarme, hocharomatische und vegetarische Eiweißlieferanten. Frische Morcheln enthalten sehr viel Wasser und verlieren beim Trocknen bis zu 90 % ihres Gewichts. Das rechtfertigt die hohen Preise von Trockenpilzen, die beim Einweichen fast zu ihrer ursprünglichen Größe aufquellen und auch in Geschmack und Konsistenz mit frischen Morcheln vergleichbar sind. Morcheln bestehen zu 20 % ihres Trockengewichtes aus Eiweiß. In derselben Größenordnung liegt der Ballaststoffgehalt. Morcheln sind reich an Vitamin D und enthalten alle anderen Vitamine, auch Vitamin C, sowie alle Mineralstoffe und Spurenelemente. Sie sind eine gute Quelle für Eisen. Ihre Fettsäurezusammensetzung ist hochwertig.
Morcheln gehören zu den altbekannten Speisepilzen. Ihre medizinischen Eigenschaften werden untersucht. Im Labor konnten die Abwehr und das Immunsystem stärkende Wirkung der Morcheln nachgewiesen werden, eine Anti-Tumor Aktivität sowie antioxidative Eigenschaften. Die Wirkmechanismen beruhen, wie bei anderen Heilpilzen, auf speziellen Zuckerverbindungen. Die Stimulierung des Immunsystems durch Morcheln geht mit der allgemeinen Stimulierung einher, die durch den pheromonartigen Geruch verstärkt wird und die Morchel, wie manch anderen Pilz der Luxusklasse, zu einem Aphrodisiakum macht.
Morchel-Zubereitung und Rezeptideen
Frische Morcheln müssen vor der Verarbeitung zunächst gesäubert werden. Häufig sind sie sandig, vor allem in den Waben des Hutes. Eventuell soll der zähe Stiel entfernt werden. Keinesfalls dürfen überalterte Morcheln verwendet werden. Auch zu lange aufbewahrte frische Pilze - etwa aus dem Handel - können bereits in Zersetzung und damit gesundheitsschädlich sein. Trockenpilze halten bei richtiger Lagerung nahezu unbegrenzt und haben in der Küche viele Vorteile. Sie müssen eine Stunde vor dem Kochen in Wasser eingeweicht werden. Das Einweichwasser wird dann für eine Suppe oder Sauce verwendet. Gute Qualitäten von getrockneten Spitzmorcheln sind sauber und entstielt, bestehen also nur aus den ganzen Hüten (Bild links). Getrocknete Spitzmorcheln sind genauso aromatisch wie frische und entfalten in konzentrierter Form ihren anregenden Duft.
Die Zubereitung von Morcheln ist einfach. Dennoch verleihen sie jedem Gericht Geschmack und Raffinesse sowie den Hauch von Luxus. Morcheln harmonieren sehr gut mit Fleischgerichten, können Fleisch aber auch ersetzen. Morcheln sind so würzig und delikat aber auch so kostspielig beziehungsweise wertvoll, dass ihre Verwendung zusammen mit Gemüse oder pur zu Nudeln bereits ein Festtagsessen ergibt. Sie veredeln Brokkoli, Grünspargel oder Spinat-Gerichte. Wenn Morcheln zusammen mit Fleisch serviert werden, dann muss es ein gutes Filetstück vom Rind oder Kalb sein. Auch in klarer Suppe oder Cremesuppe sind Morcheln ein großer Genuss. Beispielsweise für eine Morchel-Rahmsauce zu Filet oder zu Tagliatelle. Werden getrocknete Morcheln verwendet, kann das Einweichwasser beim Dünsten der Pilze in der Pfanne reduziert werden. Erst am Schluss wird dann der Rahm zugegeben.
Verträglichkeit von Morcheln
Die Verträglichkeit von Pilzen ist individuell sehr verschieden. Magen und Darm reizende Stoffe in bestimmten Pilzen wirken sich bei manchen Menschen aus, bei anderen überhaupt nicht. Die Morcheln müssen wie die meisten Speisepilze bei allen Zubereitungen richtig erhitzt werden. Beim Erhitzen werden gesundheitsschädliche Substanzen (Hydrazine), die auch in Speisemorcheln in geringen Mengen enthalten sind, inaktiviert. Große Mengen von Morcheln sollten nicht verzehrt werden. Wer Morcheln noch nie gegessen hat, sollte mit kleinen Portionen anfangen.
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[1] Ascomycetes =
Schlauchpilze sind die artenreichste Abteilung des Pilzreichs und eine der beiden Abteilungen, die Großpilze mit essbaren und gesuchten Fruchtkörpern ausbilden. Allerdings sind unter den Schlauchpilzen die wenigsten Arten groß genug um in Pilzbüchern beschrieben zu werden. Überragend in ihrer Bedeutung für Gourmets und weltweit bekannt sind nur zwei Pilzfamilien - die Morcheln und die Trüffel. Eine weitere sichtbare Familie innerhalb der Ascomycetes sind die Becherlinge (Bild rechts). Die meisten Arten der Ascomycetes sind für Pilzsammler nicht von Interesse. Man sieht sie als bunte Pusteln auf Blättern oder gallertartige Becher auf totem Holz. Die ökonomische Bedeutung der Ascomycetes ist hingegen sehr groß. Hefen und die Produzenten von Penicillin sind Schlauchpilze. Käse wie Roquefort und Camembert gäbe es nicht ohne die entsprechenden Penicillium-Arten, die den weißen oder grünen aromagebenden Schimmel verursachen. Wichtige Pflanzenkrankheiten wie der Echte Mehltau, Mutterkorn und das Ulmensterben sind Ascomyceten, genauso wie Schimmel an reifem Obst. Sie verursachen immense Kosten in der Landwirtschaft.
Ascomycetes oder Schlauchpilze unterscheiden sich von den
[2] Ständerpilzen oder Basidiomycetes, zu denen Steinpilz, Champignons und Pfifferling gehören, durch Details bei ihrer sexuellen Vermehrung mit Sporen. Schäden in der Landwirtschaft und im Forst richten auch die Ständerpilze an. Zu den Basidiomycetes gehören die Rostpilze (z.B. an Getreide) und der Maisbeulenbrand.
Tatsächlich ist die Unterscheidung der beiden artenreichsten Abteilungen der Pilze nur von Mykologen und nicht aufgrund ihres Aussehens zu treffen: Stinkmorcheln sind Ständerpilze wobei Morcheln und Lorcheln Schlauchpilze sind. Das fälschlich als chinesische Morchel bezeichnete einheimische Judasohr bzw. der Mu Err Pilz (Bild links) ist ein Ständerpilz, anders als die sehr ähnlichen gallertigen Becherlinge (Bild rechts).
Autorin: Stefanie Goldscheider
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Von Stefanie Goldscheider
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Weiterführende Berichte zu Pilzen:
- Mandelpilz- Steinpilze
- Herbst- oder Totentrompete
- Biologie und Ökologie der Pilze
- Pilze kultivieren
- Vitalpilze
- Agaricus blazei Murrill
- Chaga, der Schiefe Schillerporling
- Cordyceps, der chinesische Raupenpilz
- Hericium, der Igelstachelbart
- Maitake, der Klapperschwamm
- Reishi, der glänzende Lackporling
- Shiitake
Literatur zu Pilzen:
- Taschenlexikon der Pilze Deutschlands
- Die Großpilze Baden-Württembergs
- Grundkurs Pilzbestimmung
- Der neue Kosmos Pilzatlas
- Growing Gourmet and Medicinal Mushrooms, Paul Stamets, 3rd ed. 2000, Ten Speed Press
- Mycelium Running: How Mushrooms Can Help Save the World: P. Stamets, 2005, Ten Speed Press
- Zeitschrift für Phytotherapie Hippokrates-Verlag 2007;28:115-124 und 223-229