Feigenkaktus und Kaktusfeige

von Stefanie Goldscheider

Opuntia ficus indica - Süße Früchte, dorniger Strauch

Der echte Feigenkaktus (Opuntia ficus indica Mill.) stammt wie alle Kakteen (Cactaceae) ursprünglich aus Amerika. Der Feigenkaktus war - lange vor der spanischen Eroberung - bereits eine Kulturpflanze der Azteken im heutigen Mexiko. Kaktusstrauch und Früchte - die Kaktusfeigen - sind stachelig und haben Widerhaken, weswegen die einheimische indianische Bevölkerung schon vor Jahrhunderten Sorten mit weniger Dornen (1) züchtete. Die grünen Sprosse und die Kaktusfeigen (Bild links) wurden und werden als Gemüse beziehungsweise Obst gegessen. Der Feigenkaktus war darüber hinaus aber auch eine traditionelle Heilpflanze der Indianer und findet auch heute volksmedizinische Anwendung, beispielsweise gegen Diabetes. Neuerdings erlangen Kaktusfeigen, dank ihrer bemerkenswerten Inhaltsstoffe, auch bei uns zunehmende Aufmerksamkeit als moderne und vielversprechende Nahrungsergänzungsmittel. Hinzu kommt ihre Klimaanpassung an trocken-heiße Standorte.

Nopal, Scheiben und Feigen

Die aztekische Bezeichung für den Feigenkaktus war Nopalli. So entstand die spanische Bezeichnung Nopal, die - kombiniert mit dem lateinischen Wort für "stechen" = pungere - zum lateinischen Gattungsnamen Opuntia wurde. Opuntien, von denen es knapp 50 mehr oder weniger dornige Arten gibt (Bild rechts), nennt man bei uns - sehr anschaulich - Scheibenkakteen. Jede Opuntie ist aus wenigen bis sehr vielen runden bis ovalen, stets fleischigen und grünen Scheiben, also Nopales oder wissenschaftlich: Kladodien, aufgebaut. Opuntia ficus indica ist die Art mit den schmackhaftesten und appetitlichsten Früchten, den "westindischen Feigen" (Bild oben), die in mancher Hinsicht an unsere mediterranen Feigen erinnern.


Besondere Merkmale der Kakteen und der Opuntien
Der Feigenkaktus kulinarisch
Kaktusfeigen
Die Kaktusfeige als Heil- und Nahrungsergänzungsmittel


Die Opuntie - Ein Kaktus, viele Besonderheiten

Wassersparende Photosynthese

Pflanzen mit Anpassungen an Trockenheit und langanhaltende Dürre, nennt man Xerophyten. Viele reduzieren ihre Oberfläche, werfen beispielweise Blätter ab und verdunsten dadurch weniger. Die bedornten, fleischigen Scheiben der Opuntien sind keine Blätter sondern wasserspeichernde (= sukkulente) Sprosse. Sie betreiben aber Photosynthese und übernehmen damit die Funktion von Blättern und gleichzeitig die der Äste und des Stamms (Bild unten). Die Dornen (1) hingegen sind die umgewandelten Blätter der Kakteen und betreiben keine Photosynthese. Die Sprosse von Kakteen nutzen Wasser wesentlich effektiver als Blätter. Obendrein haben Kakteen eine spezielle Methode entwickelt um bei Tageshitze keine Luft zu benötigen, quasi den Atem anzuhalten bis es wieder kühler oder sogar nebelig wird. Sie betreiben ihren Gasaustausch nur nachts (2). Wasserspeicherung (Sukkulenz) und Wassereinsparung haben sie mit einer anderen vergleichbaren Pflanzengattung gemeinsam, den Aloe-Arten.

Wachstum auch ohne Regen

Eine weitere Besonderheit der Opuntien ist, dass jeder Spross und auch junge Früchte, und sogar die Kaktusfeigenblüten (Bild oben) Wurzeln bilden und anwachsen können und das auch ohne Regen. Ist die Dürre dann erst einmal vorbei, sind die Wurzeln schon bereit und können sofort den vielleicht nur spärlichen Regen aufnehmen. Der Spross saugt sich voll, wird wieder prall und kann neue Sprosse bilden.

Der echte Feigenkaktus verzweigt sich stark, wächst baumartig einige Meter hoch (Bild links) und verbreitet sich rasch. Als Hecke und natürlicher Weidezaun, dessen saftige Sprosse (Bilder unten) und ebenso saftige, süße Früchte obendrein dem Vieh gut schmecken, wurde er überall am Mittelmeer und in Trockengebieten angepflanzt und ist heute weltweit verbreitet.

Nutzpflanze der Zukunft

Der Feigenkaktus gedeiht, wie die meisten Kakteen, unter extremer Sonneneinstrahlung, bei teilweise jahrelang anhaltender Dürre und auf nährstoffarmen Böden. Er widersteht Sandstürmen und hält mit seinem ausgedehnten Wurzelsystem den Boden fest. Als Windschutzhecke wirkt er so auch der Bodenerosion und Degradation entgegen. Wind- und Wassererosion verursachen vielerorts den Verlust einstamls fruchtbarer Standorte. Der Feigenkaktus schützt die sensiblen Wüstenrandzonen und macht sie direkt und indirekt nutzbar für die Landwirtschaft. Damit ist er eine Zukunfts-Pflanze.

Der Feigenkaktus kulinarisch

Bild 1 und 2: Nopales
Junge, grüne Sprosse des Feigenkaktus (Bilder rechts) werden in Mexiko als "Nopales" in verschiedenen Zubereitungen, meist in Streifen geschnitten und eingelegt als Salat oder Gemüse gegessen. Aufgetischt erinnern Nopales im Aussehen ein bisschen an grüne Bohnen. Ihr Mundgefühl ist angenehm, ihr Geschmack ist mild, denn der Feigenkaktus enthält weder Bitterstoffe noch Giftstoffe und auch keine anderen unangenehm schmeckenden oder gesundheitsschädlichen Substanzen. Das ist bemerkenswert, weil die meisten anderen Wüstenpflanzen ungenießbar sind. Der einzige Schutz des Feigenkaktus vor dem Gefressenwerden sind seine Dornen - typisch für die Gattung Opuntia - mit unsichtbaren aber besonders gemeinen Widerhaken. Neben den sichtbaren längeren Dornen sind Opuntien auch mit feinen Dornen in harmlos aussehenden kleinen Büscheln bewehrt, die man nicht vergisst.


Kaktusfeigen

Kaktusfeigen sind die saftig, süßen Beerenfrüchte des Feigenkaktus, deren weiches Fruchtfleisch leuchtend gelb, orange oder rot gefärbt ist und essbare Samen einschließt (Bild links). Der Wohlgeschmack, das Aussehen und das Mundgefühl erinnern an Essfeigen (Ficus carica). Erstaunlicher Weise sind aber Kaktusfeigen noch saftiger als ihre Namensvetter und sie sind die besseren Durstlöscher. In Mexiko und den USA werden gepresste Kaktusfeigen inzwischen erfolgreich als vitalisierendes Getränk, das Kaktuswasser, verkauft. Kaktusfeigen sind auch außerhalb ihrer mittelamerikanischen Heimat beliebt und man verspeist sie überall rund um das Mittelmeer als erfrischendes Obst. Sie werden saisonal auf Märkten verkauft und gelangen im Herbst sogar bis in unsere Geschäfte.

Aber Achtung, die mit Widerhaken versehenen feinen Dornen trägt der Feigenkaktus auch an den reifen, grün-gelben bis violetten Früchten (Bild unten). Zugreifen und Reinbeißen ist bei Kaktusfeigen also keine gute Idee. Man sollte sie gekonnt öffen und jedenfalls ohne Schale verzehren. Bei den Berbern Marokkos am Rand der Sahara werden Kaktusfeigen als Marmelade eingekocht und dienen so als wichtiger Vorrat. Elegant ist die Möglichkeit, Kaktusfeigen als erfrischenden Fruchtsaft zu genießen.

Kaktusfeigen zur Nahrungsergänzung

Leistungssteigerung und Erholung

Kaktusfeigen sind uneingeschränkt zur Leistungssteigerung und zur Verbesserung des Allgemeinzustandes geeignet. Sie sind ein schnell verfügbarer Energiespender insbesondere für Sportler sowie bei geistiger und körperlicher Belastung. Kaktusfeigen sind hilfreich und gut verträglich in der Rekonvaleszens. Dazu tragen die Zucker Glukose und Fructose, die reichlich enthaltenen Mineralstoffe Kalium, Kalzium und Magnesium, der hohe Vitamin C-Gehalt sowie das komplette Spektrum der essenziellen Aminosäuren (AS) bei. Neben den essenziellen AS ist die bedingt essenzielle AS Prolin besonders reichlich enthalten. Prolin ist für die Bildung von Kollagen also für Bindegewebe und Knorpel wichtig. Opuntia ficus indica enthält noch weitere freie Aminosäuren [1], so dass ihr Saft als Energy Drink für Sportler geeignet ist.

Radikalfänger gegen degenerative Erkrankungen

Die Inhaltsstoffe der Kaktusfeige sind darüber hinaus bemerkenswert. Die kräftige Färbung des Fruchtfleisches (Bild oben) wird durch einen hohen Gehalt an natürlichen Farbstoffen hervorgerufen. Diese sind antioxidativ wirksam und als sogenannte Radikalfänger zum Schutz von Zellen und Organen wie etwa der Haut, der Nieren oder der Blutgefäße bedeutsam. Die Farbstoffe der Kaktusfeige sind Betalaine (3) und zwar die gelben bis orangefarbenen Betaxanthine und die roten bis violetten Betacyane sowie Betanin [2]. Das antioxidative Potenzial der Betalaine aus der Kaktusfeige hinsichtlich Prävention von degenerativen Prozessen und Erkrankungen wird seit einigen Jahren eingehend wissenschaftlich untersucht. Mehr zu Betainen...



Quellen und Anhang

[1] RÖMPP Lexikon der Lebensmittelchemie, Thieme Verlag Stuttgart, New York, 2. Auflage 2006
[2] Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittelchemie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 4. Auflage 2005


(1) Dornen nennt man die stacheligen, harten und trockenen umgewandelten Blätter der Kakteen, die keine Photosynthese betreiben, sondern den Kaktus beschatten, bewehren, vor dem austrocknenden Wind schützen und ihm teilweise zum Einfangen von Nebel dienen. Anders als Kakteen tragen Rosen keine Dornen sondern Stacheln. Stacheln sind keine umgewandelten Blätter sondern Auswüchse der Rinde.
(2)
Gasaustausch nachts: Der Gasaustausch, also die Aufnahme von Kohlendioxid aus der Luft und die Abgabe von Sauerstoff aus den Blättern ist für die Photosynthese jeder Pflanze notwendig, denn aus CO2 und Wasser wird mit Sonnenlicht Zucker synthetisiert. Die meisten Pflanzen öffen deswegen sogenannte Spaltöffnungen in ihren Blättern während sie Photosynthese betreiben. Dabei geht durch Wind und Hitze bei sehr viel Wasserdampf verloren. Kakteen schließen tagsüber ihre Spaltöffnungen und nutzen zur Photosynthese das CO2, das sie nachts an organische Säuren im Zellsaft zwischengelagert haben. Sie haben einen angepassten Stoffwechsel. Deswegen wachsen Kakteen viel langsamer als andere Pflanzen. Die dürreresistenten Pflanzen können aber sehr lange ganz ohne Wasser ausharren. Man nennt Pflanzen mit dieser besonderen Form der Photosynthese und des Stoffwechsels CAM-Pflanzen (von engl. Crassulaceen acid metabolism). Ein anderes Beispiel ist Aloe vera und sogar Ananas
(3)
Betalaine kennt man auch aus Rote Bete, ansonsten aber nur von wenigen anderen Nahrungspflanzen. Betalaine kommen bei einigen miteinander verwandten Pflanzenfamilien vor, deren Vertreter typischer Weise unter trocken-heißen Bedingungen (Mittagsblumen, Kakteen) oder auf salzhaltigen Standorten (Queller) wachsen. Darunter sind besonders viele Pflanzenarten mit sukkulenten Vertretern und solche mit CAM-Stoffwechsel.

Andere gesundheitsförderne Pflanzen mit hohem Gehalt an natürlichen Farbstoffen:
- Haskap-Beere
- Açai
- Granatapfel
- Aronia - die Apfelbeere

Andere Wildsträucher am Mittelmeer:

- Erdbeerbaum
- Johannisbrot